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add × Jahrestagung 2018

Perspektiven zur Digitalisierung: Hochschullehre, Finanzfunktion und Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung

Mit Beginn des Wintersemesters 2018/2019 im Oktober diesen Jahres nahm bereits der zweite Jahrgang das Studium in unserem jungen Studienschwerpunkt "Accounting, Taxation & Digital Science mit Option gemäß § 13b WPO" (add | hhu) auf. Anlässlich des damit verbundenen einjährigen Jubiläums von add | hhu fanden am Mittwoch, dem 21. November 2018, die Auftaktveranstaltung "add & profession" sowie anschließend die 1. Düsseldorfer Schmalenbach Lecture mit Luka Mucic, dem CFO der SAP SE, mit über 130 Teilnehmern statt.

 

Auftaktveranstaltung "add & profession"

Die Auftaktveranstaltung "add & profession" begann mit einer Begrüßung und einer Kurzvorstellung des Studienschwerpunkts durch Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Accounting. Der neue Studienschwerpunkt im Masterstudiengang BWL, add | hhu, ist an der Schnittstelle von klassisch betriebswirtschaftlicher Ausbildung und Informatik angelegt. Ziel ist es dabei nicht, Experten für Informationssysteme auszubilden, sondern Betriebswirte, die neben fachlicher Expertise in Rechnungswesen, Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung auch die damit verbundenen IT-Prozesse analysieren und optimieren sowie die daraus resultierenden Daten analysieren können. Es sind jene Kompetenzen, die modere Betriebswirte benötigen um künftig noch bedeutsamere Themen wie predictive analytics oder zero touch accounting durch end-to-end-Prozesse adressieren zu können.

Prof. Dr. Guido Förster, Inhaber des Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere betriebswirtschaftliche Steuerlehre, nahm diesen Punkt in seinem anschließenden Impulsvortrag zum Thema "Accounting & Tax goes digital" auf. Förster plädiert für ganzheitliche Wirtschaftswissenschaften, die sich den Themen und Methoden der Digitalisierung öffnen und diese in das reguläre Curriculum eines betriebswirtschaftlichen Studiums integrieren. Ziel ist die Vermittlung von Prozess- und nicht nur Fachwissen.
Digitalisierung ist laut Förster ein Sammelbegriff für derzeitige technologische Entwicklungen, die Automatisierung, Mensch-Maschine-Interaktionen (internet of things) sowie den Umgang mit großen Datenmengen (Big Data) umfassen. Für Unternehmen bedeutsam ist dies mit Blick auf mögliche Effizienzsteigerungen, die Erfüllung regulatorischer Vorgaben (Compliance) sowie neue Geschäftsmodelle.

In der anschließenden Podiumsdiskussion "Was kommt nach Audit 4.0? Konsequenzen der Digitalisierung für Accounting, Taxation und Hochschullehre" sprachen Dr. Heike Wieland-Blöse (Mitglied des Vorstands von Warth & Klein Grant Thornton), Prof. Dr. Rüdiger Loitz (Bereichsleiter Capital Markets & Accounting Advisory Services von PwC Deutschland), Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann (Sprecher des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.) und Axel Zimmermann (Geschäftsführender Gesellschafter der Audicon GmbH) unter Moderation von Prof. Dr. Guido Förster über die Digitalisierung mit Blick auf Geschäftsmodelle, Nachwuchssituation, disruptive Veränderungen und fachliche Herausforderungen in Prüfung und Beratung.

Naumann betont zunächst, dass die Abschlussprüfung nur ein Teil des Angebots von Wirtschaftsprüfern ist. Die Digitalisierung will er insofern als Chance verstehen, die Gleichsetzung von Wirtschaftsprüfern mit Abschlussprüfung zu korrigieren. Der Vorteil von Wirtschaftsprüfern besteht gerade darin, Unternehmen und Geschäftsmodelle zu verstehen und dieses Wissen nutzen zu können. Aktuelle Trends wie Data Mining und die Visualisierung von Befunden werden dabei künftig genauso zum Repertoire des Wirtschaftsprüfers gehören, wie der verstärkte Blick auf Fragen der Compliance (GoBD, DSGVO) und Cyber Security. Um für diese Aufgaben gerüstet zu sein, werden auch (aber nicht ausschließlich) "andere Leute" als bisher gesucht. Im Fokus stehen aber nicht (nur) Programmierer und Datenbankspezialisten sondern vor allem Betriebswirte mit IT-Expertise.

Loitz sieht die Digitalisierung als "schleichenden Prozess", der bereits in vollem Gange ist. Dennoch warnt er vor überzogenen Erwartungen und weißt pointiert darauf hin, dass die Frage "Alexa, wie bilanziere ich Leasingvertrag?" wohl unbeantwortet bleibt. Selbst wenn sich dies in Zukunft wohl ändert, werden für den Aufbau derartiger Systeme immer Experten benötigt. Im Fokus muss daher "hybrides Wissen", die Verknüpfung von Fach- und IT-Expertise stehen. Prozessverständnis und das Denken in derartigen Strukturen sind heute unerlässlich. Als Chance und Risiko betrachtet Loitz die regulatorischen Rahmenbedingungen. So erschwert bspw. die DSGVO das automatisierte Auslesen öffentlich verfügbarer Daten, sofern diese personenbezogenen sind (z.B. aus dem Handelsregister). Andererseits führen diese strengen Vorgaben zu einer sehr hohen Datenqualität in Deutschland und Europa, die ihrerseits den Ausgangspunkt für qualitativ hochwertige IT-Systeme (insbesondere im Bereich künstliche Intelligenz) darstellt. Dies ist mittelfristig ein großer Wettbewerbsvorteil gegenüber internationaler Konkurrenz.

Relativierend weißt Wieland-Blöse anschließend darauf hin, dass die Wirtschaftsprüfung in den letzten Jahrzehnten von konstanten Veränderungen geprägt war – und diese gemeistert hat. Die Digitalisierung stellt aber nach ihrer Auffassung den tiefsten Einschnitt, die intensivste Veränderung dar. Für mittelständische Prüfungs- und Beratungsgesellschaften wie Warth & Klein Grant Thornton bedeutet dies, sich an zentraler Stelle zunächst mit der Optimierung und Digitalisierung interner Prozesse zu beschäftigen. Denn nur wer digitalisiert ist, kann gegenüber Kunden und Mandaten auch glaubhaft digitalisierte Produkte und Dienstleistungen vermarkten. Warth & Klein hat daher bereits vor einiger Zeit eine Stabstelle für Digitalisierung eingerichtet. Dennoch sind die Ressourcen begrenzt. Mittelständische Gesellschaften können nicht die komplette Klaviatur der Digitalisierung spielen und sollten sich daher auf spezialisierte, nicht repetivive Tätigkeiten (z.B. in der Unternehmensbewertung) fokussieren. Dafür braucht es "Knotenpunktbeherrscher" bzw. "Hybridmenschen" an der Schnittstelle von fachlicher Expertise und IT-Know-How.

Daran anknüpfend berichtet Zimmermann, dass insbesondere kleine und mittelständische Prüfungs- und Beratungsgesellschaften von der Komplexität des Themas Digitalisierung übermannt werden. Sie brauchen "Unterstützung, um von heute nach morgen" zu kommen. Er sieht insbesondere die Abschlussprüfung im Zentrum disruptiver Entwicklungen, da wesentliche Teile automatisiert werden. Hier sollte insbesondere der Berufsstand ansetzen, um kleinen und mittelständischen Praxen das nötige Handwerkszeug zur Seite zu stellen. Als Musterbeispiel nennt er eine Initiative des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA). Letztlich geht es darum, dass "der Prüfer von heute kein Data Scientist" ist, ein Verständnis von Datenstrukturen und -aussagen aber immer wichtiger wird. Neben den steigenden methodischen Anforderungen gilt es bei der Umstellung auf eine digitalisierte Abschlussprüfung aber auch darum die Menschen mitzunehmen und auf die Veränderung des Berufsbildes vorzubereiten, denn "der Wirtschaftsprüfer von Morgen denkt in Kompetenzen". Zwar könne auch künstliche Intelligenz (zunächst) keine judgment-Entscheidungen abnehmen, allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob eine Abschlussprüfung überhaupt noch notwendig ist, wenn sich blockchains durchsetzen.

In der anschließenden Diskussion wird nochmals deutlich, dass die Berufsstände der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sich insbesondere mit ihrem Geschäftsmodell auseinandersetzen müssen. Letztlich seien Prüfer und Berater ja auch Unternehmen, die von der Digitalisierung ebenso betroffen sind wie ihre Mandaten, gibt Zimmermann zu bedenken. Naumann hebt die derzeit noch hohe Bedeutung von Outsourcing-Dienstleistungen (z.B. Lohnbuchhaltung) für mittelständische Kanzleien hervor. Es seien aber gerade diese repetitiven Tätigkeiten, die künftig am ehesten automatisiert würden, womit dieser Geschäftszweig wegbräche. Loitz ergänzt dahingehend, dass sich mit der nichtfinanziellen Berichterstattung, insbesondere zu Umweltaspekten, aber auch neue Tätigkeitsfelder auftun. Gerade diese seien hochgradig unternehmensspezifisch und daher schwerer zu automatisieren.

Auf Nachfrage von Weißenberger wendet sich die Diskussion nochmals zum Thema künstliche Intelligenz. Insbesondere geht es darum, wer denn eigentlich noch Fachwissen hat, wenn künftig alles Wissen in IT-Systemen steckt. Hier ginge es weniger um Wissen, als mehr um dessen systematische und lösungsorientierte Aufarbeitung, gibt Loitz zu bedenken. Förster ergänzt dahingehend, dass analog zur Trennung von starker und schwacher künstlicher Intelligenz, der menschliche Vorsprung beim systematische Denken und der Herleitung von Analogien – insbesondere in Bilanzierungsfragen – nicht zu digitalisieren ist. Für die Ausbildung sei dies von großer Bedeutung, berichtet Wieland-Blöse, da sich Fachwissen "verflüchtigt", während gerade die analytischen Kompetenzen einen guten Wirtschaftsprüfer ausmachen. Letztlich besteht Konsens darin, dass die Systeme den Menschen nicht ersetzen, sondern ihm dienen sollen. Die Automatisierung soll insbesondere "lästige" Arbeiten übernehmen. Um dies zu ermöglichen, müssen aber auch die Randbedingungen stimmen. Naumann erwähnt hier insbesondere eine gesetzliche Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle, die die neuen Tätigkeiten für eine neue Generation – vor allem auch an Frauen – attraktiv macht.

1. Düsseldorfer Schmalenbach-Lecture mit Luka Mucic (CFO, SAP SE)

In seinem Grußwort zur 1. Düsseldorfer Schmalenbach-Lecture hob Prof. Dr. Florian Heiß, Prodekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, hervor, dass die Änderungsdynamik der Digitalisierung nicht nur Unternehmen, sondern auch Lehre und Forschung vor Herausforderungen stellt. Dem schlossen sich Dr. Maria Engels, Geschäftsführerin der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft, sowie Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger in ihren Grußworten an. Wichtig sei – ganz im Sinne Schmalenbachs – die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis um diese Herausforderung zu meistern und sich ergebende Chance zu nutzen. Die Schmalenbach-Lecture soll genau diese Aufgabe erfüllen.

Im seinem Vortrag "Digitalisierung im Finanzbereich – der Mensch im Mittelpunkt" ging Luka Mucic, CFO der SAP SE, im Wesentlichen auf zwei Punkte ein. Zunächst zeigte er auf, dass unternehmerische Innovationen kein Selbstzweck sind, sondern schlussendlich immer einer Bedürfnisbefriedigung beim Menschen (Kunden) dienen müssen. Aus Sicht des Managements eines Unternehmens kann sich hier aber ein "Innovator's Dilemma" ergeben. So werden die zur Bedürfniserfüllung notwendigen Investitionen in Innovationen zurückgestellt, um dem Kapitalmarktdruck standzuhalten.
Anschließend zeigte Mucic am Beispiel von SAP auf, welche Änderungen an den internen Strukturen notwendig waren, als neue Wettbewerber das traditionelle lizenzbasierte Geschäftsmodell von SAP bedrohten. Im Fokus standen hierbei die disruptiven Veränderungen durch cloud-basierte Lösungen von spezialisierten Dienstleistern wie Salesforce. Bei SAP musste sich diese Bereitschaft zur Disruption erst aufbauen, wurde dann aber in wenigen Jahren durch eine konsequente cloud-first-Strategie, strategische Akqusitionen i.H.v. 40 Milliarden Euro sowie den Aufbau von internen Inkubatoren (SAP.iO) und einer Corporate-Venture-Capital-Gesellschaft (SAPphire Ventures) vorangetrieben. Innerhalb der Finanzfunktion ergeben sich dabei tiefgreifende Veränderungen. Während das klassische Lizenzgeschäft ("on premise") durch relative wenige, aber umsatzstarke Transaktionen getrieben wird, mussten für die neuen cloud-basierten Geschäftszweige direkt drei neue Vertriebs- und Steuerungsmodelle implementiert werden (Buiness Networks, Software as a Service und Infrastructure as a Service). Somit sind in der zentralen Finanzfunktion nun vier unterschiedliche Geschäftsmodell unter einem Dach vereint. Um dieser Herausforderung Herr zu werden, hat SAP die Ausgaben für die Mitarbeiterfortbildung in den letzten Jahren verzehnfacht und sein eigenes SAP-System zeitnah größtmöglich standardisiert auf die aktuelle Version S/4HANA umgestellt.

Wir freuen uns über die positive Resonanz und danken allen Gästen für ihre Teilnahme sowie die interessanten Gespräche und Diskussionen, die einen solchen Tag erst ausmachen. Unser besonderer Dank für ihr Engagement und die interessanten Einblicke gilt Luka Mucic sowie den vier Teilnehmern der Paneldiskussion Dr. Heike Wieland-Blöse, Prof. Dr. Rüdiger Loitz, Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann sowie Axel Zimmermann. Wir freuen uns auf eine erneute Auflage im kommenden Jahr!

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